Logbuch - Eintrag Nr. 1
Manche Wege beginnen nicht mit einem Ziel,
sondern mit einer Erfahrung.
Mit einem inneren Berührtsein,
das sich nicht mehr wegschieben lässt.
Dieser Logbucheintrag ist der Versuch,
davon zu erzählen.
Was mich bewegt und warum ich diesen Weg gehe
Ich habe so viel Schönheit gesehen in meinem Leben.
Nicht nur in großen Landschaften oder im Licht,
sondern auch im Kleinen und Unscheinbaren.
Besonders im Zusammensein mit meiner Frau,
in meiner Familie, bei meinen Kindern.
Im Staunen über einen stillen Moment,
in der Zärtlichkeit des Gewöhnlichen,
in der Tiefe eines Blicks,
im offenen Raum der Natur.
Manchmal war sie so groß,
so gegenwärtig,
dass ich sie kaum aushalten konnte.
So stark, dass ich sie nicht lange anschauen konnte.
Als würde sie mein Innerstes sprengen –
nicht vor Schmerz,
sondern vor Wahrheit.
Und doch weiß ich heute:
Diese Schönheit ist eine Einladung.
Eine Einladung des Lebens selbst.
Oder – wenn man so will –
eine Einladung Gottes,
der Natur,
des allumfassenden Seins.
Nicht abstrakt,
nicht belehrend.
Sondern als leises, lebendiges Angebot:
Komm.
Sieh.
Spür.
Sei da.
Doch es war nicht nur Schönheit,
die mich berührt hat.
Ich habe auch einen Genuss kennengelernt,
den ich früher kaum erahnen konnte.
Nicht den flüchtigen, reizüberfluteten Genuss,
der das Maß verliert oder den Körper erschöpft –
sondern einen natürlichen, nährenden,
lebendigen Genuss.
Einen, der belebt,
statt zu betäuben.
Der das Leben nicht ausbeutet,
sondern ehrt.
Ich glaube, viele Menschen wissen gar nicht,
dass so etwas überhaupt möglich ist.
Wie könnte man auch etwas vermissen,
was man nie gekannt hat?
Doch ich habe es erlebt.
Nicht als Ausnahme,
nicht als Auserwählter –
sondern als Mensch mit offenen Sinnen.
Nach vielen Umwegen,
nach Irrtümern,
nach Lernwegen.
Und ich bin sicher:
Diese Freude ist nicht exklusiv.
Sie ist kein Luxus.
Sie ist etwas zutiefst Natürliches.
Etwas, das wiederentdeckt werden kann.
Etwas, das uns allen zusteht –
wie ein stilles Recht,
das darauf wartet, erinnert zu werden.
Es tut mir weh zu sehen,
wie viel davon übersehen,
verdrängt oder zerstört wird –
durch Lärm,
durch Gier,
durch Krieg.
Aber auch durch Gleichgültigkeit.
Und durch eine Art Dummheit,
die längst zur Gewohnheit geworden ist.
Ich mache diese Seite,
weil ich glaube,
dass wir uns erinnern können.
Dass wir uns erinnern dürfen.
Und weil ich zeigen möchte,
dass es nicht nur Hoffnung gibt,
sondern einen echten Weg zurück
in diese Schönheit
und in diesen Genuss.
Nicht als Rückzug,
sondern als Rückbindung.
Nicht als Flucht,
sondern als Antwort
auf das, was gerade geschieht.
Auch ich bin nicht nur sonnige Wege gegangen.
Dunkelheit begleitete auch mich –
ausgerechnet zu Beginn,
als alles erst anfing.
Doch vielleicht war es genau das,
was mich hat innehalten,
suchen
und fragen lassen.
Heute weiß ich:
Das Leben ist nicht zufällig.
Und die Natur ist nicht dumm.
Unermesslich ist die Weisheit,
die sich in ihr sammelt.
Die echte Schönheit in allem
ist keine Schwärmerei.
Und echter Genuss –
wirklicher, tiefer Genuss –
ist weit mehr
als ein flüchtiges Spiel am Gaumen.
Er beginnt dort,
wo wir uns wieder rückverbinden:
an die Quelle des Lebendigen,
nicht an das künstlich Gemachte,
das Leere.
Je mehr es uns gelingt,
uns innerlich
an die Energie des Lebens anzuschließen –
statt an seine Ersatzprodukte –,
desto durchlässiger wird der Kanal in uns.
Ein Kanal,
der Schönheit nicht nur erkennen,
sondern auch wirklich empfangen kann.
Und nicht nur das.
Wir beginnen, sie zu hüten,
zu ehren –
und vielleicht selbst
ein Teil von ihr zu werden.
Denn in Wahrheit geschieht etwas Wunderbares,
wenn wir uns auf diese Weise öffnen:
Wir werden fähig,
Schönheit zu leben.
Nicht als Dekoration.
Sondern als Ausdruck
eines tieferen Seins.
Und vielleicht ist es genau das,
was manche einmal Weisheit nannten –
oder Liebe.
Es gibt nichts Schöneres,
als der Schönheit zu dienen.
Epilog
Denn da gibt es eine Wahrheit
und ein Geschenk,
das sich zeigt,
wenn wir bereit und fähig sind zu sehen.
Und genau darin liegt mein Vertrauen.
Ich weiß, dass es diesen Schatz gibt.
Vielleicht ist das der eigentliche Grund
für meinen Antrieb.
Denn dieses Geschenk gilt nicht nur mir.
Es ist –
wenn man so will –
unser aller Geburtsrecht.
Doch ob wir es annehmen,
das ist eine eigene Geschichte.
Eine,
die jeder Mensch selbst schreiben darf –
und muss.